meine gedanken zu drogenabhängigen müttern

eure kommentare zum letzten posting haben mich irgendwie nachdenklich gemacht.

für mich ist der umgang mit solchen eltern nicht schlimm. es macht mich nicht traurig. etwas wütend vielleicht, und manchmal auch agressiv. aber nicht traurig.

es ist mir egal was diese frau in der schwangerschaft gemacht hat. ob sie sich mehrmals in der woche heroin gespritzt hat oder ob sie sich brav an die vorgaben des entzugsprogrammes gehalten hat – mir wurscht. denn es ändert JETZT sowieso nix mehr an der situation.

dass es nicht gut ist, weiß sie wohl selbst. und bestimmt auch, was sie ihrem kind damit angetan hat. oder, wenn sie es vorher nicht wusste, dann sieht sie es spätestens jetzt. damit muss sie leben. ich denke, sein eigenes kind, das man über alles liebt (und ja, auch drogenabhängige mütter lieben ihr kind) so leiden zu sehen ist strafe genug. da bringt eine stundenlange moralpredigt auch nicht mehr einsicht. und auch wenn, für das kind ist es sowieso zu spät.

ist es schlimm, dass ich so denke? irgendwie schon, oder?

was solche mütter oft bei mir auslösen ist, dass ich genervt bin. es nervt mich, dass sie so unzuverlässig sind, ihre termine nicht einhalten und dann auch noch richtig doofe entschuldigungen und ausreden vorschieben. und dass sie auf heile welt machen.

ehrlich, ich kann es nicht mehr sehen, wie mutter und vater um ihr kind herumstehen, wie maria und josef um den kleinen jesus. und stundenlang heulen, weil sie erfahren haben, dass ihr kind zu pflegeeltern kommt. diese szene spielts echt jedes mal und das nervt. als hätte man ihnen das kind grundlos, aus heiterem himmel, einfach so zum spaß, weggenommen. sie hatten es in der hand und habens vergeigt. die schuld suchen sie natürlich überall, nur nicht bei sich. aber auch das macht mich nicht wütend. für das kind ist es sicher besser so. das jugendamt weiß schon, was es tut.

ich finde es wirklich süß von euch, dass ihr mir (und damit meinen kollegInnen weltweit) so viel respekt dafür zollt. aber naja, was soll ich sagen. es ist alltag. ich ärger mich über drogenabhängige mütter wohl nicht mehr, als über andere mütter auch. das mag daran liegen, dass man seine erwartungen bei solchen eltern einfach von haus aus ein gutes stück runterschraubt.

dass die ganze situation für das kind der blanke horror ist, dürfte klar sein. aber all die wut und enttäuschung über die eltern bringen dem kind ja auch nix. und das kind steht im vordergrund.

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15 Antworten to “meine gedanken zu drogenabhängigen müttern”

  1. Philipp Says:

    Ein schwieriges Thema. Meine Frau arbeitet in der Drogenberatung, hat also die Eltern „deiner“ Kinder vorher in der Betreuung. Und man muss halt auch sagen: Auch die Eltern haben ihre Geschichten (Missbrauch, Verwahrlosung usw.). Das ist natürlich für die Betreuung ihrer Kinder nahezu unerheblich, denn da muss ganz klar sichergestellt werden, dass es denen gut geht. Aber das Problem ist eben ein vielschichtiges. Und fängt in der Regel noch lange vor der Geburt der Kinder an, sondern liegt viel häufiger in der Kindheit der heutigen Eltern begründet.
    Aber du hast Recht: es sollte nicht dein Problem sein, sondern muss durch Jugendämter und ähnliche Institutionen geregelt werden.

  2. Tante Jay Says:

    Zunächst mal: Drogenabhängige Eltern sind ja nicht drogenabhängig, weil die das voll geil finden, für die beschaffung auf den Strich zu gehen – oder ähnliches.

    Da steckt meist schon ne Geschichte hinter, die nichts weniger als tragisch ist. Und wenn sie nicht tragisch ist, sind die Eltern eben doof gewesen und in was reingerutscht, wo sie nicht mehr rauskommen.
    Und wenn du mal im Drogensumpf steckst, kommst da auch so fix nicht mehr raus. Schwangerschaft hin, Schwangerschaft her.

    Hand aufs herz, wie viele schaffen es schon nicht, in der Schwangerschaft mit Rauchen aufzuhören, und da wollt ihr den Stab über Drogenabhängige brechen?? oO

    Als Kinderkrankenschwester kann man leider wirklich nur eins machen: Die Eltern nehmen, wie sie sind, die Kinder betütteln, so lange sie da sind (werden sie brauchen) und dann ganz unprofessionell die Daumen drücken, dass es gutgeht. Alles andere geht zu sehr unter die Haut und hilft dir letztlich ja auch nicht bei der Betreuung der Würmer – du musst manchmal halt invasiv vorgehen und wenn du zuviel Mitleid hast, dann wirds nur noch schwerer.

    Und nein, das Jugendamt weiß leider nicht immer, was es tut. Wer darauf vertraut ist meist verlassen. Die Onkel und Tanten dort sind nämlich ganz normale Menschen und man sollte deren Handlungen durchaus mit gesunder Skepsis beäugen.

    Übrigens: Nicht immer sind Pflegekinder „dämlich“ oder „Verlierer“ – und nur weil ein Kind einen fiesen Start ins Leben hat, heißt das noch lange nicht, dass man da einen künftigen Verbrecher oder Versager großzieht. Wer SO an die Aufgabe mit dem Pflegekind rangeht, zieht die übrigens in der Tat ran. Weil man davon überzeugt ist, ist das Kind irgendwann überzeugt, nix wert zu sein und dann wird Kind mukschig, läßt sich nix mehr sagen und gleitet hab.

    Und hinterher halten solche Eltern/Pflegeeltern dann ihre Fresse in die Kamera, weinen bittere Tränen und sagen, dass sie doch alles für ihr Kind getan haben *grummeligguckt*

    ja, ich bin grad was stinkig.

  3. Penny Says:

    Mitleid, hat in der Pflege nicht viel verloren.
    Wenn man sich alles zu Herzen nehmen würde, liegt man selbst irgenwann irgendwo und braucht Hilfe.
    Ich habe jahrelang am anderen Ende des Lebens meinen job gemacht und ich kann auch nur sagen, es ist ein verdammtes Sch*** Gefühl, bei einer 80jährigen, die im Krieg vergewaltigt wurde, heute dement ist mit 3 oder 4 Mann einen Katheter zu legen, und so die schlimmsten Erinnerungen zu wecken.
    Aber so ist der Job, ich kann nichts dafür, was den Menschen vorher passiert ist, ich muß mich auf den Moment konzentrieren und meine Arbeit machen, und sogut es geht, aber vor allem sehr professionell, auf die Menschen eingehen. Und dazu gehöhrt vor allem behandeln und weniger bewerten.

  4. buttervogel Says:

    Ich finde deine Einstellung völlig in Ordnung. Ich denke in deinem Beruf ist es sogar genau die Richtige. Lieber aufs Kind und dessen Gesundheit konzentrieren, als die Kraft für Wut und Traurigkeit „verschwenden“
    Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft für deinen Beruf. Ich gewinne hier immer wieder den Eindruck, dass du in deinem Beruf genau richtig aufgehoben bist!

  5. MiA Says:

    Hi,
    auch wenn es für dich Alltag ist, finde ich deine – und sicherlich auch die deiner KollegInnen – Einstellung trotzdem bewundernswert. Aber du hast recht, es bringt euch auch nichts, wenn ihr die Eltern zusammen schreien würdet. Sie haben es vergeigt und es ist nicht euer Leben. Ihr helft den armen Kindern, die unter diesen Bedingungen ins Leben starten müssen. Das sie ihre Kinder verlieren, ja, damit hätten sie vorher schon rechnen müssen und da hilft auch keine Tränenshow. Sie sind für ihr Leben verantwortlich… keine Frage.

    Trotzdem Hut ab. Und macht weiter so 😉

  6. sweetkoffie Says:

    Deine einstellung fonde ich bewundernswert.
    Auch die Kommentare sind sehr interessant.

    Beim Durchlesen mußte ich daran denken, wieviele Schulkinder mit Retalin ruhiggestellt werden. Ich glaube nicht. dass all diese Kinder ADHS haben und „krank“ sind. Da wird m.E.eine Abhängigkeit bei Kindern provoziert, die ich für nicht vertretbar halte. Das Problem liegt nämlich nicht bei den Kindern , sondern bei den eltern und dem jeweiligen Umfeld.

    Während ich dies hier schreibe, könnte ich die Wut kriegen…

    LG Sweetkoffie

    • Michael Says:

      „Glaube“ war noch nie ein guter Ratgeber.

      „Their sexual lives give a grim look at the impact of untreated ADHD. At the most recent follow-up more than half of the ADHD group had been tested for HIV disease. No one in the matched control group had been tested. Of the 43 children born to participants in the study 42 had been born to the ADHD group. Perhaps the most disturbing finding was that 54 percent of these parents had already lost custody of their children.“

      Das ist mir ehrlich gesagt etwas viel zu heftig, um es auf falsche Erziehung zu schieben.

      Ach was – selbst WENN es an falscher Erziehung liegt: Was können die Kinder dafür? Oder wollen wir die für ihre Eltern bestrafen?

      „Wir“ verschreiben auch weiterhin Antidepressiva – von denen man abhängiger wird* – obwohl man dort die Schuld in Erziehung und Umfeld suchen darf (zumindest eher).

      Ich hätte eigentlich nur schreiben müssen: Wenn Sie sich über das Thema ordentlich informieren würden, würden Sie es nicht so banalisieren (alleine Statistiken wie die obige gibt es zu jedem Lebensbereich – und jedes mal ist man ob der Ungerechtigkeit einfach nur fassungslos wütend).

      * Absetzen eines SNRI vs. böse böse abhängig machende Stimulanz (im Rahmen einer ADHS-Therapie): Ersteres musste ich über Wochen ausschleichen (ich habe irgendwann angefangen die Kügelchen der Kapsel abzuzählen!), während ich letzteres einfach so vergesse einzunehmen.

      • Michael Says:

        Ups: Das Zitat stammt von hier:

        Klicke, um auf ADHDfactfiction.pdf zuzugreifen

        Sehr interessant!

        Dort wird auf „Barkley RA, ADD Research: a look at today and tomorrow. ATTENTION! 1996;8-11.“ verwiesen, was ich leider momentan nicht verifizieren kann [hätte man doch auf eine reguläres Paper verwiesen…].

      • neonatalie Says:

        lieber michael, ich glaube nicht, dass sweetkoffie sagen wollte, dass adhs von überforderten eltern und medikamentenverteilenden medizinern erfunden wurde.
        so wie ich es interpretiere, sagt sie, dass es aber mitunter ausgenutzt wird. und dem muss ich zustimmen. leider.

        nicht jedes „auffällige“ kind hat ads, und nicht jedes aktive kind ist hyperaktiv.

        was nicht bedeutet, dass es adhs nicht gibt. adhs ist eine anerkannte krankheit, sowohl bei kindern wie auch bei erwachsenen. und es muss therapiert werden, notfalls auch mit medikamenten. genauso wie depressionen.

        leider sind die wenigsten medikamente nebenwirkungsfrei. das muss man in kauf nehmen. aber deshalb wird ja auch viel auf diesem sektor geforscht, man versucht das zu ändern.

  7. katerwolf Says:

    hut ab vor dieser einstellung.

    ich habe heute morgen in der zeitung einen kurzen beitrag darüber gelesen, dass irgendwo in deutschland ein drogenabhängiges elternpaar ihren kleinkindern über einen längere zeitraum heroin verabreicht hat. offenbar, um sie ruhig zu stellen.

    also noch mal: hut ab, liebe neonatalie. ich glaub, ich würde die echt hassen, wenn ich sie so um ihr kind herum stehen und heulen sehen würde. aber es gibt im leben noch schlimmeres und das leben ist nun mal kein ponyhof 😉

    liebe grüße, katerwolf

  8. Turtle Says:

    Ich finde es nicht schlimm, dass du so denkst. Sondern nachvollziehbar und sinnvoll. Das Kind braucht erstmal die Pflege von euch Krankenschwestern, die Muetter oder Vaeter koennen es ja meist eben doch nicht, egal wie sehr sie das Kind lieben.

  9. Silke Says:

    Das Schlimme ist ja wohl, dass auch wenn das Jugendamt das Richtige tut und gute Eltern für diese Kinder findet es überhaupt keine Sicherheit gibt, dass aus den Kinder „was wird“. Sie haben einfach ein schlechtes Paket mitbekommen und da kann man Liebe, Geduld und Erziehung drüber ausschütten, wie man will. Das ist so furchtbar.
    Natalie, Du hast wahrscheinlich einen der schönsten und furchtbarsten Berufe zugleich. Ich hoffe, dass das Schöne überwiegt 🙂

  10. Thorben Says:

    Es ist bitter, aber für diese Kinder beginnt das Leben schon „scheiße“.

    Ich finde Deine Einstellung verständlich, irgendwie musst Du ja mit dem Leid und dem Ärger klar kommen.

    Kopf hoch – ohne Menschen wie Dich hätten diese KInder gar keine Zukunft 🙂

  11. Barbara Says:

    Du hast schon recht.
    Anders wäre der Job wahrscheinlich nicht zu machen.
    Für die Kinder ist Deine Einstellung gut und richtig und nur darauf kommt es an.
    Ich fürchte halt, dass das Leben dieser Kleinen sehr vorbelastet sein wird und das Jugendamt…nun, Pflegeeltern für ein drogenabhängiges Kind zu finden wird nicht einfach sein.
    Drogenabhängige Eltern zu betreuen dürfte äußerst schwierig sein.
    Wenn die Liebe und die Verantwortung für das eigene Kind nicht ausreicht, kann daran auch kein JA etwas ändern.
    Dass das nicht einfach ist, weiß ich, ich weiß aber auch, dass es möglich ist, sich gegen die Drogen zu entscheiden.
    Es ist ein sehr trauriges Thema

    Ich bin gern hier bei Dir.
    Liebe Grüße
    Barbara

  12. minuq Says:

    „das jugendamt weiß schon, was es tut.“
    Ich hoffe, dass das in diesen Fällen tatsächlich der Fall ist und das Jugendamt sich darum kümmert. Meine Tante und Onkel haben 2 Pflegekinder aufgenommen und sie zusammen mit ihrem eigenen Sohn aufgezogen. Eins der zwei Pflegekinder ist mittlerweile ausgezogen, allerdings arbeitslos und auch ernsthafte Aussicht auf eine Ausbildungsstelle, da grenzenlos dämlich.
    Das Jugendamt war bei der Erziehung die geringste Hilfe, es hat sogar oftmals im Weg gestanden und Dinge blockiert, bzw. gefordert, die eigentlich in den Aufgabenbereich des Amts gefallen sind. „Großartige“ Institution ;).
    Genug der abschweifenden Meinung, ich finde es absolut nicht schlimm wie du denkst, im Gegenteil. Ich denke nämlich gleich, Vergangenheit ist Vergangenheit und damit geschehen. Lässt sich nicht ändern, das hier und jetzt hingegen schon. Und da kommt es auf das Kind an, nicht darauf den Eltern zu erzählen, was sie vermutlich längst wissen.

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