dienstübergabe. die kollegin vom nachtdienst übergibt mir daniel. schwangerschaftswoche 28+4, 4 tage alt, 874g geburtsgewicht, aktuell 810g. sectio wegen vorzeitigem blasensprung und infektion der mutter. komplett lungengereift. apgar 7/8/9. kindliche infektwerte nach der geburt positv, deshalb antibiotikatherapie. am infantflow mit 5-6 PEEP, sauerstoffbedarf um die 28%, in bauchlage bis auf 23% zu reduzieren. einige apnoen mit tiefen abfällen, immer zu stimulieren, hat um 3 uhr einmalig ein zusätzliches coffein erhalten, seit dem deutlich besser. essen geht solala, er bekommt 8x4ml, die verträgt er mäßig, immer angedaute magenreste. wegen der respiratorischen situation wurde das essen einmal pausiert und i.v. ersetzt. der schwemmi (= zentraler venenzugang) geht gut und ist o.b. temperatur instabil, kühlt noch rasch aus, berührungsempfindlich. seit gestern IVH I bekannt.
etwas später. daniel ist munter und brüllt sich in seinem inku die seele aus dem leib, sein IF unterstützt ihn mit heftigen gepiepe. wenig später setzt natürlich auch sein monitor ein. ich mache noch die letzten handgriffe bei meinem anderen patienten und wende mich dann gleich daniel zu.
erstmal gibts für den jungen mann ein leckeres teestäbchen und eine begrüßung in form einer großflächigen berührung. damit beruhigt sich daniel auch gleich wieder. und auch seine diversen gerätschaften. während daniel zufrieden das teestäbchen in seinem mund hin und her schiebt, drehe ich die inkubatortemperatur mal um ein grad höher, da ich ja weiß, dass daniel schnell auskühlt.
dann wirds aber ernst. wir haben einiges vor. erstmal blutdruck messen. dann temperatur axillär. dann pampers wechseln inklusive bauchmassage, denn der bauch ist doch ganz schön gebläht (aber weich). dann müssen wir auch noch unter den IF sehen. und natürlich gibts auch da wieder eine schöne kopf- und gesichtsmassage. leider ist daniel davon nicht so begeistert, also halten wir diesen punkt kurz. dann werfen wir noch einen kurzen blick auf daniels nabelschnurrest. alles schön, da brauch ich nix zu tun.
jetzt kommt der anstrengenste teil. das wiegen. zum glück hat der inkubator eine eingebaute waage, so müssen wir wenigstens nicht ins kalte. aber ich würde daniel schon gerne ohne IF wiegen, wenn es geht. dafür muss er aber etwa 20 oder 30 sekunden ohne IF auskommen. ob das geht weiß ich nicht so sicher, aber wir probieren es. um daniel etwas zu helfen erhöhe ich den sauerstoff im inkubator mal auf 35%. dann geht los. IF weg. knopf drücken. kurz warten. sättigung 85%. daniel hochheben. kurz warten. angestrengte atmung, sättigung 81%. daniel wieder ablegen und gewicht ablesen. 810g. bei 78% sättigung und angestrengter atmung bekommt daniel endlich wieder seinen IF. ich bin zufrieden, das wiegen hat bestens funktioniert. daniel hat das sehr gut gemacht.
ich entferne den sättigungssensor vom linken fuß und befestige ihn nun am rechten. damit keine druckstelle entsteht. die ekg-elektroden halten noch gut, ich muss sie nicht wechseln. die temperatursonde stecke ich seitlich in daniels pampers. auf die linke seite, weil ich daniel nachher in linker seitenlage lagern möchte. dann kommt noch die nasenpflege dran. da muss ich aber nicht viel machen, daniels nase ist wunderbar intakt, keine rötungen, keine abdrücke, nix.
nachdem alles wieder vollständig auf daniel montiert ist und ich den inkubator wieder auf seine ausgangseinstellungen reduziert habe, wird daniel noch fest in ein weiches tuch eingewickelt und dann gelagert. ich aspiriere den halben milliliter angedaute milch von der letzten mahlzeit aus seinem bauch, gebe ihn wieder zurück und sondiere ihm seine 4ml milch im freien fall dazu. daniel hat die augen noch offen und beobachtet mich dabei neugierig, während er zufrieden auf seinem neuen milchstäbchen herumkaut.
daniel kommt mir etwas gelb vor. also seine hautfarbe. deshalb messe ich den gelbsuchtwert. subkutan, ganz ohne piekser. der wert ist grenzwertig hoch. das muss ich dann nachher einem arzt sagen. wahrscheinlich muss daniel unter die phototherapie.
da daniel noch wach und zufrieden ist, bedecke ich seinen inkubator noch nicht vollständig mit der decke (zur reizabschirmung), sondern lasse ihm noch die möglichkeit etwas herumzusehen.
kurzer blick in den PC. daniel bekommt noch ein antibiotikum i.v. also geh ich das mal aufziehen und hänge es gleich danach an. unter sterilen bedingungen versteht sich. also perfusorspritze einspannen, sterilen tupfer in den inku, line in den inku (mit dem ende auf dem sterilen tupfer, versteht sich), inku-türen auf, sterile handschuhe an, line an den schwemmi anschließen. perfusor starten. fertig.
nun verräume ich die gebrauchten utensilien wieder, wiege die angepullerte pampers und wische alle flächen einmal mit dem flächendesinfektionsmittel. danach werfe ich wieder einen blick auf daniel. er ist eingeschlafen. langsam und vorsichtig ziehe ich ihm sein milchstäbchen aus dem mund und bedecke seinen inktubator nun komplett mit der decke. schlaf gut!
dann gehts ans dokumentieren. haut intakt. hautfarbe ikterisch. schleimhaut rosig. alle extremitäten warm. beatmungseinstellungen unverändert. atemmuster periodisch, während der pflege leichte einziehungen intercostal und sternal. die pampers hatte 31g. die pampers selbst wiegt 13g, also waren 18ml harn drin. wunderbar. abdomen mittel gebläht, weich, keinen stuhl gehabt, bauchmassage durchgeführt. 0,5ml angedaute magenreste, zurück gegeben. magensonde nach dem sondieren offen belassen (damit die luft, die durch den IF in den magen geblasen wird, entweichen kann). bewegungsmuster altersensprechend. berührungsempfindlich? ein bisschen, ja.
die waage zeigte mir 810g. davon muss ich jetzt noch die 13g (frische) pampers abziehen, die daniel beim wiegen anhatte. also neues gewicht: 797g. im vergleich zu gestern sind das 13g weniger. alles im rahmen.
inkubatoreinstellungen unverändert. notiz: temp. während der pflege um 1°C erhöht. dennoch etwas ausgekühlt. lagerung: seitelage links. mundpflege: tee und milch. nasenpflege: NaCl 0,9%. haut intakt.
hauptinfusion läuft, fett läuft. die laufraten stimmen auch. antibiotika i.v. verabreicht.
feddisch!
Schlagwörter: 29. schwangerschaftswoche, frühchen, infant flow, inkubator, monitor, pflege, tagdienst
30. Juni 2012 um 07:44 |
Guckguck? Natalie?
22. Juni 2012 um 18:52 |
sorry, aber Ordnung muss sein: es geht selbstverständlich um die liebe Natalie 😀
22. Juni 2012 um 17:23 |
Cerise, Deine Frage ist zwar berechtigt, aber aus der Vergangenheit lernend sollte man bei der lieben Natlie eher zurückhaltend sein (sie ist doch so sensibel 😉 ).
Aber:
Jetzt komm endlich mal wieder in die Puschen! 😀
.. und sei herzlich gegrüßt von
Hajo
22. Juni 2012 um 13:27 |
Liebe Natalie, schon so lange kein Lebenszeichen mehr von dir gelesen.
Vielleicht nur ein kleines „Piep“, bitte?
5. Mai 2012 um 21:02 |
Vielen Dank für den tollen Einblick in deine Arbeit! Durch das Lesen deines Blogs fällt es mir ein wenig leichter den Alltag auf Station zu verstehen. Meine Tochter kam ende März 9 Wochen zu früh zur Welt, und liegt immer noch im Überwachungsbereich dank ihrer Trinkschwäche. Seit 2 Tagen geht es Bergauf, ich hoffe sie in den nächsten 2-3-Wochen heim holen zu dürfen…
Es ist alles nicht so leicht- daher meinen größten Respekt!!!!!
Und weiter so 🙂
29. April 2012 um 21:27 |
Als Mutter eines völlig gesunden Sohnes aus der 28. SSW haben die Schwestern von mir erwartet, daß ich ab und zu den Kleinen wickle, Temperatur messe und die Mundpflege mache. Das war sicher gut, um den Umgang mit ihm irgendwie selbstverständlicher zu machen und die Bindung zu erhöhen. Aber ich hatte immer panische Angst dabei, etwas falsch zu machen und ihm irgendwie zu schaden.
Nach 19 Tagen ist er dann an einer plötzlichen Infektion verstorben.
Ich denke immer noch voll Panik an diese Pflegevorgänge und bete, daß ich nie wieder in diese Lage komme.
9. Mai 2017 um 14:06 |
Hallo Cornelia. Ich bin eigentlich nur stille Mitleserin, jedoch hat dein Kommentar mich direkt ins Herz getroffen. Wahrscheinlich liest du es garnicht mehr, da dein Kommentar ja schon ewig her ist…aber manchmal geschehen ja noch Wunder… Mir ging es ähnlich wie dir, die Angst lähmt… Wir haben unsere Sepsis jedoch unglaublicherweise überlebt. Würde mich gerne mal mit dir austauschen… Vielleicht hilft es uns bei der Verarbeitung dieser traumatischen Mutter Erfahrung… Liebe Grüße Andrea…
27. April 2012 um 07:55 |
Hut ab, für die Veranwortung die ihr da für so ein kleines Leben tragt!
24. April 2012 um 10:52 |
wow, auf was man alles achten muss!
23. April 2012 um 17:58 |
Danke für den Bericht, das ist ja echt ganz schön viel zu bedenken und zu tun für so einen kleinen Wurm. Andererseits bist du vermutlich so routiniert, dass dir das nicht ganz so sehr auffällt, oder?
22. April 2012 um 09:14 |
Ganz, ganz herzlichen Dank an alle Intensivpfleger!
Was Ihr da leister ist der Wahnsinn.
Und das tollste ist, dass Ihr bei dieser anstrengenden, vielseitigen und hochtechnischen Arbeit immer noch das kleine Menschlein seht.
Ich denke immer noch sehr oft (mein Sohn ist jetzt 5) an unsere Krankenschwestern. Wenn ich könnte würde ich euch alle vergolden 😉
22. April 2012 um 01:15 |
Der normale Aufwand ist wirklich umfangreich!
Und das alles bei so winzig kleinen Menschen, welch Verantwortung ihr täglich/nächtlich übernehmt ist wirklich enorm.
21. April 2012 um 19:35 |
Das hört sich verdammt anstrengend an – wenn ich überlege, dass ich damals schon bei meinem völlig gesunden, 40te Woche geborenen Baby total überfordert war….;-)
21. April 2012 um 15:14 |
Das hört sich ganz schön umfangreich an!
21. April 2012 um 12:07 |
Wow, Wahnsinn an was man da alles denken muss! Wie lange hat die ganze „Prozedur“ gedauert?
20. April 2012 um 18:43 |
dann wünsche ich dem kleinen Daniel, dass er nicht bereits in die Löwengrube fällt
.. nein, natürlich alles Liebe und, dass er möglichst schnell groß und stark wird (na ja, auch hier in Maßen, nicht in Massen) 😀
20. April 2012 um 17:33 |
Ich lese Deinen Blog wirklich sehr gerne. Bin derzeit im Unterkurs und werde meinen nächsten Einsatz auf der IMC unserer Klinik verbringen dürfen und freue mich schon tierisch darauf! 🙂
20. April 2012 um 14:16 |
puuuuh, das ist ja echt viel! danke fürs teilen.
was sind denn tee- und milchstäbchen?
20. April 2012 um 16:37 |
das sind wattestäbchen, die in milch oder tee getränkt sind. daran können die kleinen saugen und so ihr saugbedürfnis befriedigen und gleichzeitig auch etwas schmecken. 🙂
23. April 2012 um 17:56
Fusselt das nicht?
20. April 2012 um 13:47 |
Super! herzlichen Dank, das wir mal dabei sein dürften 😉
Was ist denn IVH I?
Glg und schön, mal wieder von Dir zu lesen!
20. April 2012 um 16:35 |
ivh steht für intraventrikuläre hämorraghie. das wiederum ist eine hirnblutung. grad 1 bedeutet, dass es nur eine kleine ist, die in der regel keine weiteren probleme nach sich zieht.
20. April 2012 um 13:36 |
Wow!